Das Malz

Vom Getreide zum Braumalz

Die Erkenntnis, dass sich zur Bierbereitung vermälztes Getreide in besonderer Weise eignet, ist alt. Bereits aus dem alten Ägypten ist eine gewerbliche, von der Brauerei getrennte Malzbereitung überliefert. Freie Hand wurde den Brauern jedoch zunächst hinsichtlich der Auswahl des zu verarbeitenden Getreides gelassen. Die Erfahrung lehrte jedoch mit der Zeit, dass bestimmte Getreidearten sich besser als andere für die Malz- und Bierbereitung eignen.

Die Durchsetzung der Gerste als dominierendes Braugetreide und deren Verankerung im Reinheitsgebot hat jedoch unabhängig von ihrer besonders guten Eignung zur Vermälzung und Bierproduktion auch weitere Gründe:
So sank der Preis der Gerste im Verhältnis zu dem anderer Getreidesorten im 15. Jahrhundert erheblich. Die Verwendung der Gerste entsprach damit dem Ziel der Stadträte, niedrige Bierpreise zu garantieren, wie auch dem Interesse der Brauer, die ihre Herstellungskosten niedrig halten wollten.

Dass andere Getreide, namentlich der Weizen, von der allgemeinen Bierproduktion ausgeschlossen wurden, war darüber hinaus im Wesentlichen in der Sorge begründet, dass die Getreideernte nicht für die Brot- und die Bierherstellung reichen könnte.

Sicher ist, dass es keineswegs die Sorge um die Bierqualität war, die dazu führte, dass das Weizenmalz im Reinheitsgebot unerwähnt blieb. Denn neben der selbstlosen Sorge um das Volkswohl haben offensichtlich auch handfeste wirtschaftliche Interessen die Entscheidung für die Festschreibung der Gerste im Reinheitsgebot beeinflusst:
Im Jahr 1520 nämlich, also nur vier Jahre nach dem Erlass des Bayerischen Reinheitsgebotes, hatte Ludwig X., neben seinem Bruder und Mitregenten Wilhelm IV. selbst “Urheber” des Reinheitsgebotes, seinem Landhofmeister in Niederbayern, Hans Sigismund von Degenberg, in Schwarzach – natürlich gegen gutes Geld – das Privileg verliehen, Weizenbier für das gesamte Gebiet des Bayerischen Waldes herzustellen.

Als 1567 das Brauen von “Weißem Bier” im ganzen Herzogtum Bayern verboten wurde, weil hierzu zuviel Weizen verbraucht wurde, blieben allein die Degenberger von diesem Verbot ausgenommen. Und während das allgemeine Verbot bis 1798 bestehen blieb, sicherten sich die jeweiligen Landesherren durch die Errichtung weiterer privilegierter “Weißer Brauhäuser” und die Erteilung von Weißbierbraurechten gegen Entgelt eine stattliche Einnahmequelle, erfreute sich das obergärige Weißbier doch besonders großer Beliebtheit.

Nicht dem Wortlaut, wohl aber dem Sinn nach ist demnach das Bayerische Reinheitsgebot von 1516 auszulegen: Um die Qualität des Volksgetränkes Bier sicherzustellen, sollte zu seiner Herstellung nur vermälztes Getreide Verwendung finden. Mit der ausschließlichen Erwähnung der Gerste wurden andere Ziele als das der Qualitätssicherung verfolgt.

Für die Herstellung untergäriger Biere (helles oder dunkles Lagerbier, Export, Pils, …) darf entsprechend den deutschen, auf dem Bayerischen Reinheitsgebot fußenden rechtlichen Bestimmungen bis heute nur Gerstenmalz verwendet werden, wohingegen für die Herstellung obergäriger Biere (Weiß- bzw. Weizenbier, aber auch Kölsch oder Alt, …) auch die Verwendung anderer als aus Gerste hergestellter Malze zulässig ist. So werden zum Beispiel zur Weiß- oder Weizenbierherstellung mindestens 50% Weizenmalz eingesetzt, aber auch Dinkel- und Roggenmalz werden in Bayern zur Herstellung obergäriger Biere verwandt.

In anderen Ländern ist darüber hinaus auch die Verwendung von Malzersatzstoffen zulässig. Um Produktionskosten zu sparen, werden stärkehaltige Materialien wie Reis oder Mais, aber auch unvermälztes Getreide zum Brauen eingesetzt. Da dieser “Rohfrucht” die Enzyme des Malzes fehlen, die die vorhandene Stärke aufzuschließen und in Maltosezucker umzuwandeln in der Lage sind, wird der Verzicht auf das teure Malz häufig mit der Notwendigkeit erkauft, Enzympräparate zugeben zu müssen. Geschmackliche Defizite, die sich durch den Einsatz von Rohfrucht oder den Verzicht auf Malz ergeben können, müssen ggf. darüber hinaus durch weitere Zusatzstoffe korrigiert werden. Beide, der Einsatz von Rohfrucht und die Zugabe von Zusatzstoffen und Enzymen, sind mit dem Reinheitsgebot jedoch nicht vereinbar!

In Bayern werden derzeit im Jahr rund 310.000 t Gerstenmalz und 70.000 t Weizenmalz zur Bierproduktion verwendet. Zu ihrer Herstellung werden ca. 85.000 t Brauweizen und 370.000 t Braugerste (zweizeilige Sommergerste) benötigt. Hinzu kommen geringe Mengen Roggen und Dinkel.

Vor allem bei der Braugerste, die den Löwenanteil des benötigten Braugetreides ausmacht, verlassen sich Bayerns Brauer gerne auf Erzeugnisse aus heimischem Anbau, die sich durch besonders hohe Qualität auszeichnen. So ist Bayern auch das bedeutendste Braugerstenanbaugebiet Deutschlands.

In den letzten Jahren wurden in Bayern jedes Jahr auf einer Gesamtfläche von ca. 130.000 ha rund 500.000 Tonnen Sommergerste erzeugt. Nachdem Braugerste besonders hohen Anforderungen hinsichtlich ihrer Sortierung (Korngröße) und vor allem ihres Eiweißgehalts (sollte zwischen 10,0% und 11,5% liegen) genügen muss, ist jedoch nie die ganze Ernte tatsächlich auch als Braugerste verwendbar. So stehen je nach Witterungsverlauf ca. 70 % der Sommergerstenmenge als Qualitätsbraugerste zur Verfügung, der Rest wird zu Fütterungszwecken verwendet.