Wenn der Volksmund von „Brauereien“ spricht, zählt die amtliche Statistik „Braustätten“.
Die “Braustätte” ist der Ort der Bierproduktion, die “Brauerei” umschreibt hingegen die gesellschaftsrechtliche Einheit, das Unternehmen.
Es kann durchaus sein, dass unter dem Dach einer Gesellschaft mehrere Braustätten betrieben werden. Mehrere rechtlich selbständige Unternehmen können wiederum zu größeren Brauereigruppen (Konzernen) zusammengeschlossen sein u.s.w..
Die amtliche Statistik zählt zudem nicht diejenigen Braustätten, die am Ende des Jahres in Betrieb waren (Zeitpunktbetrachtung), sondern diejenigen, die im Verlauf des Berichtsjahres betrieben wurden (Zeitraumbetrachtung).
Somit sind in der Zahl der Braustätten eines jeden Jahres auch solche enthalten, die z.B. schon Ende Januar geschlossen, „aufgelassen“ wurden.
Erfasst sind zudem auch nur die gewerblich betriebenen Braustätten. Haus- und Hobbybrauer, von denen es zahllose im Land gibt, erscheinen in der nachfolgenden Statistik nicht.
Braustätten in Deutschland
Mit Ausnahme des Jahres 2012 wies die Zahl der Braustätten in Deutschland bis 2019 eine seit 2003 kontinuierlich ansteigende Tendenz auf. Seit dem „Nachkriegst
Mit Ausnahme des Jahres 2012 wies die Zahl der Braustätten in Deutschland bis 2019 eine seit 2003 kontinuierlich ansteigende Tendenz auf - die Craft-Bier-Welle hatte Deutschland erreicht. Seit dem „Nachkriegstiefststand“ 1997 nahm die Zahl der Braustätten um 279 zu.
Im Zuge der Corona-Krise im Jahr 2020 verlor die deutsche Brauwirtschaft 16 Braustätten. Weitere 16 Braustätten gingen im zweiten Corona-Jahr 2021 verloren.
2022 blieb die Zahl der Braustätten mit 1521 konstant, um im Jahr 2023 neuerlich deutlich um 10 zurückzugehen.
Das Jahr 2024 bescherte der deutschen Brauwirtschaft schließlich mit dem Verlust von ganzen 52 Braustätten einen weiteren schmerzhaften Aderlass. Damit hat die deutsche Brauwirtschaft seit dem Höchststand der letzten Jahre 2019 wieder 93 Braustätten verloren.
Die Zahl der Braustätten liegt dennoch unverändert oberhalb des Bestandes zum Zeitpunkt der Änderung der statistischen Erfassung im Jahr 1993 im Zuge der Wiedervereinigung.
Auf den ersten Blick ist festzuhalten, dass in den gut 20 Jahren zwischen 1997 und 2019 die Gesamtzahl der Braustätten in Deutschland also einen deutlichen Anstieg verzeichnete, sie seither aber auch wieder rückläufig ist, zuletzt beschleunigt.
BRAUSTÄTTEN DEUTSCHLAND 1993-2024->DOWNLOAD-GRAPHIK
Bayern zählt mit 598 betriebenen Braustätten unangefochten die meisten Sudhäuser der Republik. 41 % der deutschen Braustätten haben ihren Sitz im Freistaat. Keine andere Region der Welt weist auf vergleichsweise engem Raum eine ähnliche Dichte traditioneller (!), mittelständischer Braustätten auf – in Bayern kommt auf rund 22.400 Einwohner eine Braustätte.
Allerdings ist festzuhalten, dass die Zahl der Gasthaus- und Kleinbrauereineugründungen in anderen Bundesländern bereits seit Jahren die Zahl der Stilllegungen traditioneller Braustätten übersteigt mit der Folge, dass der Anteil Bayerns an allen Braustätten leicht rückläufig ist und heute noch 41,0 % beträgt.
Nachdem es sich in den weitaus meisten Fällen um Sortimentsbrauereien handelt, folgt der großen Zahl der Braustätten eine einzigartige Vielfalt der Sorten und Marken: Über 4.000 verschiedene bayerische Biermarken gibt es, sie verteilen sich auf über 40 verschiedene traditionelle Biersorten und eine große Zahl innovativer Produkte, gerne als „Craft-Biere“ bezeichnet.
BRAUSTÄTTEN 2024 NACH BUNDESLÄNDERN->DOWNLOAD-GRAPHIK
Betrachtet man den Anteil der bayerischen Sudstätten an allen deutschen Brauereien, dann ist der Anteil mit 41,0 % zwar respektabel. Nicht übersehen werden darf jedoch, dass er in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen ist.
Nach der deutschen Wiedervereinigung betrug er noch knapp 60 %!
Insgesamt übersteigt die Zahl der Gasthaus- und Kleinbrauereineugründungen in anderen Bundesländern bereits seit Jahren die Zahl der Stilllegungen traditioneller Braustätten hier.
In Bayern ist die Brauereidichte ohnehin noch groß, der Gründungsdrang ist einerseits nicht so stark ausgeprägt und im Bereich mittelständischer Traditionsbrauereien, von denen es andernorts ohnehin nicht mehr viele gibt, kommt es leider weiterhin zu Betriebsstilllegungen, so dass in Bayern - anders als im Rest Deutschlands - die Zahl der Betriebsstilllegungen die der Neugründungen übersteigt. So ist der Anteil Bayerns an allen Braustätten leicht rückläufig.
ANTEIL BAYERISCHER BRAUSTÄTTEN AN ALLEN DEUTSCHEN BRAUEREIEN->DOWNLOAD GRAPHIK
Entwicklung der Zahl der Braustätten in Bayern
Die Entwicklung der Zahl der Braustätten in Bayern kannte bis 2006 eigentlich nur eine Richtung: abwärts.
Nachfolgend beobachteten wir zunächst ein leichtes Auf und Ab. Die Zahl der Braustätten bewegte sich lange zwischen 620 und 640 Betrieben.
In 2017 vermeldete auch Bayern erstmals einen sprunghaften Anstieg der betriebenen Braustätten um 21 auf 645 und in 2018 eine weitere Zunahme auf 654 Braustätten - der höchste Stand seit 2001, der allerdings nicht von langer Dauer war.
Schon im Jahr 2019 hat Bayern leider wieder einige Braustätten verloren, ein Trend, der sich auch in 2020 (- 5 Braustätten), 2021 und 2022 (- 9 bzw. - 8 Braustätten) fortsetzte.
Konnte Bayern den korrigierten Erhebungen für 2023 zufolge im vorletzten Jahr dann noch einmal 2 Braustätten gewinnen, so bescherte das Jahr 2024 der bayerischen Brauwirtschaft ein schmerzhaftes Braustätten-Minus: Ganze 30 Betriebe waren aufzugeben gezwungen; erstmalig überhaupt unterschreitet die Zahl der Braustätten in Bayern mit 598 die Zahl von 600.
Diese Entwicklung ist dabei - wie auch bezogen auf die Entwicklung in Deutschland insgesamt - als Saldo zwischen Stilllegungen traditioneller Braustätten einerseits und der Neugründung von zunächst Gasthausbrauereien, dann verstärkt Kleinbrauereien ohne Gasthausanbindung - gerne als „Craft-Brauerei“ bezeichnet - andererseits zu interpretieren.
BRAUSTÄTTEN BAYERN 1960-2024->DOWNLOAD GRAPHIK
Wie rasch sich der Strukturwandel auch in der bayerischen Brauwirtschaft zuvor vollzogen hat, wird ersichtlich, wenn man die Zeit seit der Wiedervereinigung und der damit einhergehenden Neuordnung des Biersteuerrechts einschließlich einer Neuordnung auch der Erfassung der betriebenen Braustätten Anfang der 90er-Jahre Revue passieren lässt:
Seit 1993, dem Zeitpunkt der Neuordnung der Branchenstatistiken nach der Wiedervereinigung, hatte die Zahl der Braustätten in Bayern bis 2006 zunächst um 149 abgenommen, erreichte nach einem kurzen Aufschwung 2014 abermals das „Allzeittief“ von 619 und hat bis 2018 dann wieder 35 Braustätten Zuwachs erfahren. Nachdem in den letzten sechs Jahren leider wieder 56 Brauereien aus dem Markt haben ausscheiden müssen, bleibt seit der Wiedervereinigung ein Minus von 170 Braustätten.
Der tatsächliche Rückgang traditioneller Braustätten ist dabei viel größer, da der Einstellung des Sudbetriebes zahlreicher Traditionsbetriebe die Neugründung von Kleinbrauereien gegenübersteht.
BRAUSTÄTTEN BAYERN 1993 – 2024->DOWNLOAD GRAPHIK
In der kartographischen Darstellung zeigt sich, dass Oberfranken unverändert die Bierregion Nr. 1 in Bayern ist. Mit 172 Brauereien liegen 26,5 % aller bayerischen Braustätten in diesem Regierungsbezirk. Es folgen Oberbayern mit immerhin auch 135 betriebenen Braustätten (20,8 %), dann Schwaben mit 79 Braustätten (12,2 %), Niederbayern mit 69 Braustätten (10,6 %) und die Oberpfalz und Mittelfranken mit jeweils 67 Braustätten (10,3 %). Schlusslicht in der Betriebsstättenfolge ist der „weinlastige“ Bezirk Unterfranken (60 / 9,2 %).
[Anm.: Die genannte Zahl der Braustätten entstammt einer Erhebung für November 2024. Abweichungen von der amtliche Braustättenstatistik ergeben sich aus der unterschiedlichen Art der Erhebung. Das Stat. Bundesamt zählt alle Braustätten, die in einem Jahr in Betrieb waren – egal wie lange; Markus Raupach, von dem die hier zusammengefassten Daten stammen, erfasst alle aktiven Braustätten zu einem bestimmten Stichtag. Außerdem werden hier auch solche Braustätten getrennt erfasst, die biersteuerlich ggf. zusammen erfasst und damit von der amtlichen Statistik als Einheit betrachtet werden. Deshalb kommt Raupach auf insgesamt 649 Braustätten, die amtliche Statistik für 2024 nur auf nur 598.]
BRAUSTÄTTEN IN BAYERN NACH REGIERUNGSBEZIRKEN (KARTE) NOVEMBER 2024->DOWNLOAD
In der Darstellung der Zahl der betriebenen Braustätten als Balkendiagramm werden die erheblichen Unterschiede zwischen der Betriebsstättenzahl in den einzelnen Regierungsbezirken besonders deutlich. Den Ruf Frankens als „Bierregion“ verdankt Nordbayern also Oberfranken.
Unterfranken markiert hingegen bzgl. der Zahl der Braustätten das Schlusslicht unter den bayerischen Regierungsbezirken - knapp hinter den nächstplatzierten Regierungsbezirken Oberpfalz und Mittelfranken.
BETRIEBENE BRAUSTÄTTEN IN BAYERN NOVEMBER 2024->DOWNLOAD
Entwicklung der Zahl der Braustätten in den einzelnen Bundesländern
Während der Prozess des Strukturwandels in anderen deutschen Regionen bereits so weit fortgeschritten ist, dass die Stilllegungen traditioneller, meist mittelständischer, familiengeführter Brauereien durch Neugründungen - z.T. weit - überkompensiert werden, ist der Bestand traditioneller mittelständischer und Kleinbrauereien in Bayern unverändert groß und auch deshalb die Zahl der Gasthaus- und Kleinbrauerei-Neugründungen kleiner.
Saldiert verliert Bayern deshalb bei einer langfristigen Betrachtung seit der Wiedervereinigung Braustätten, während alle anderen Bundesländer z.T. deutliche Steigerungen der Zahl ihrer Braustätten verzeichnen.
BRAUSTÄTTEN BUNDESLÄNDER VERÄNDERUNG 1993-2024 ABSOLUT->DOWNLOAD GRAPHIK
Die relative Veränderung der Zahl der Braustätten seit 1993 belegt eindrucksvoll, dass Bier Heimat braucht: Gerade dort, wo der Prozess der Konzentration des Braugewerbes am weitesten fortgeschritten war, ist heute der Gründungsboom von Gasthaus- und Kleinbrauereien am stärksten. Hier suchen die Menschen also wieder die ihnen verloren gegangene Nähe zum Sudkessel und ihrem „Bräu“, dem sie bei der Bierproduktion über die Schulter schauen können. Sie suchen aber auch nach der Abwechslung, die die stark vereinheitlichten Bierangebote im ebenfalls hoch konzentrierten Handel ihnen nicht mehr zu bieten vermögen.
Und auch in der Gastronomie wird in Folge der fortschreitenden Konzentration auf Herstellerseite regional das Bierangebot immer ähnlicher, was die Attraktivität von Gasthausbrauereien sicherlich steigert.
BRAUSTÄTTEN BUNDESLÄNDER VERÄNDERUNG 1993-2024 RELATIV->DOWNLOAD GRAPHIK