9. Die internationale Brauwirtschaft

Um die Sonderrolle sachgerecht beurteilen zu können, die die Bundesrepublik im Biermarkt einnimmt, liegt ein Vergleich mit den übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nahe.
Auf der Grundlage der Daten, die der Spitzenverband der Europäischen Brauwirtschaft, The Brewers of Europe (BoE)  mit Sitz in Brüssel, erhebt, sollen im Folgenden nicht nur einige statistische Daten über das europäische Brauwesen dargelegt, sondern auch einige Irrtümer ausgeräumt werden …  .

Wir beziehen uns hierbei auf das Jahr 2022. Die Größe der Europäische Union mit unterdessen 27 EU-Mitgliedsstaaten auch die Schweiz, Großbritannien, Norwegen und die Türkei, bringt es mit sich, dass das Zusammentragen der relevanten statistischen Daten einige Zeit in Anspruch nimmt, was im Vergleich zu den für Deutschland recht rasch verfügbare Daten eine gewisse zeitliche Verzögerung der Veröffentlichung mit sich bringt.

Auch gestatten uns die vorliegenden Daten einen Rückblick in vielen Fällen nur bis 2003, da ältere Daten auch bei den BoE nicht vorliegen.

Deutschland verteidigt 2022 seinen 5. Rang unter den biererzeugenden Nationen der Welt.

Nur China produzierte mehr als 200 Mio. hl Bier, drei weitere über 100 Mio. hl pro Jahr. Es folgt Deutschland mit knapp  88  Mio. Hektoliter  Jahresausstoß.

Es folgen mit Russland nur ein weiteres Lander mit mehr als 80 Mio. hl. Auf der ganzen Welt gibt es dann noch 15 weitere Länder, die  20 Mio. hl Bier und mehr produzieren und das ist bereits die Größenordnung, in der sich auch der bayerische Ausstoß bewegt: Bayern läge im Ranking zwischen Belgien und Indien auf Platz 15 der bierproduzierenden Länder der Welt …

Die größten Bier produzierenden Länder 2022->Download

Die Weltbierproduktion belief sich zu Beginn des Jahrtausends auf ca. 1,4 Mrd. hl. Im Jahr 2022 betrug sie etwa 1,89 Mrd. hl, ca. 35% mehr.

Aber die Verteilung hat sich deutlich verändert. Deutschland ist von Rang 3 auf Rang 5 der bierproduzierenden Länder zurückgefallen, weil die eigene Bierproduktion rückläufig ist, vor allem aber, weil sie in anderen Ländern z.T. drastisch zugenommen hat. Im Jahr 2012 lag Deutschland schon einmal noch auf Platz 5 der „Weltrangliste“ und konnte sich zunächst einen Platz verbessern, weil die russische Bierproduktion seit 2007 einen drastischen Einbruch erlebte. Zwischenzeitlich ist das aufstrebende Bierland Mexiko an Deutschland vorbeigezogen.

Der deutsche Anteil an der Weltbierproduktion fiel von knapp 8% in 2000 auf knapp 4,6% in 2022.

Bei dieser Betrachtung darf allerdings nicht übersehen werden, dass Deutschland mit 83,2 Mio. Einwohnern gegenüber 1,412 Mrd. in China, 331,9 Mio. in den USA, 214,3 Mio. in Brasilien und 126,7 Mio. in Mexiko von den führenden Biernationen die mit Abstand geringste Bevölkerung aufweist, was die Rangfolge der „Biernationen“ durchaus relativiert: Gemessen an der Pro-Kopf-Produktion liegt Deutschland deutlich vor diesen Ländern.

Ausstoßänderung der größten Biernationen 2000-2022->Download Grafik

Deutschland hat im letzten europaweit statistisch erfassten Jahr 2022 Jahr knapp 88 Mio. hl Bier gebraut (ohne alkoholfreies Bier und Malztrunk).  Das ist deutlich  mehr als doppelt so viel wie das zweitstärkste EU- Bierland, Spanien.

Es folgen Polen und Belgien knapp vor Holland  auf den Plätzen 3 bis 5 innerhalb der 27 EU-Mitgliedsstaaten.

Mit Blick auf alle 27 EU-Mitgliedsstaaten wird – Deutschland eingeschlossen – in nur drei Ländern mehr Bier gebraut als in Bayern.

Ausstoßsituation der europäischen Brauwirtschaft 2022-> Download Grafik

Die Entwicklung der Bierproduktion seit 2003 verläuft in den einzelnen Mitgliedsländern der EU sehr unterschiedlich: Traditionelle Bierländer wie Dänemark, auf niedrigerem, Niveau auch Luxemburg oder auch die Bundesrepublik weisen deutliche Rückgänge auf, andere Staaten, vor allem einige osteuropäische Länder wie Polen oder Rumänien, Spanien, die Baltischen Staaten oder das Bierland Belgien können deutliche relative Ausstoßzuwächse vermelden.

Veränderung der Bierproduktion in den 27 EU-Ländern 2003-2022->Download Grafik

 

Vergleicht man den Bier-Pro-Kopf-Konsum in Deutschland mit dem in anderen Ländern der EU, so liegt Deutschland 2022 hinter Tschechien und Österreich mit einem jährliche PKV i. H. v. noch rd. 92  Litern auf Platz 3.

Belastbare Aussagen über den Bierkonsum in Bayern sind leider kaum machbar, da die Bierlieferungen aus anderen Bundesländern nach Bayern wie auch umgekehrt aus Bayern in andere Bundesländer statistisch nicht erfasst werden.

Aus früheren Erhebungen wissen wir jedoch, dass kein anderes Bundesland  einen so großen Teil seiner Bierproduktion in andere Bundesländer „exportiert“ . Und zugleich ist in keinem anderen Bundesland derjenige Anteil des Bierdurstes, der mit Bieren aus dem eigenen Land gestillt wird, so groß wie in  Bayern.

Der durchschnittliche Bierkonsum pro Kopf dürfte in Bayern bei 110 bis 115 Liter liegen.

Bier Pro-Kopf-Konsum in Europa 2022->Download Grafik

Beim Blick auf die Veränderung des Bier Pro-Kopf-Konsums (PKV) in den EU-Mitgliedstaaten seit 2009 fällt eine sehr unterschiedliche Entwicklung auf: Den stärksten relativen Zuwachs verzeichnet im Betrachtungszeitraum das Weinland Italien gefolgt von Lettland, Bulgarien und dem ebenfalls weinaffinen Spanien.

Die deutlichsten Rückgänge hin gegen verzeichnen typische Bierländer wie Belgien, Dänemark, Irland oder Luxemburg.

Auch der Deutsche Bier PKV ist rückläufig. Er sank seit 2009 um 16,1%.

Auch hier sei ein Blick auf die Entwicklung in Belgien gestattet, wird doch der sinkende Bierdurst der Deutschen oft und gerne mit einem Hinweis auf Belgien kommentiert: Dürfte man in Deutschland, so die These, die Grenzen des Reinheitsgebotes etwas großzügiger auslegen, um zu einer der belgischen vergleichbaren Sorten- und damit Geschmacksvielfalt zu gelangen, würde alles sich zum Guten wenden.

Der Umstand, dass der Durchschnittsbelgier trotz größerer Biervielfalt jenseits der engen Grenzen des Reinheitsgebotes nicht nur weniger trinkt, sondern sein Bierdurst seit 2009 ebenso stark zurückgegangen ist (-16%) , lässt Zweifel an dieser These zumindest nicht abwegig erscheinen.

Veränderung des Bier-Pro-Kopf-Verbrauchs in der EU 2009-2022 in Prozent->Download Grafik

Oft wird kritisiert, die deutsche Brauwirtschaft bleibe was ihren Export betrifft hinter ihren Möglichkeiten zurück und werde dem Ruf ihrer Biere in der ganzen Welt nicht gerecht.

Bezug genommen wird dabei gerne auf die Exportquote, die im europäischen Maßstab in der Tat eher Mittelmaß ist. Selbst mäßig prominente Biernationen wie Portugal, Kroatien oder Griechenland weisen wie andere europäische Länder auch z. T. deutlich höhere Exportquoten auf als Deutschland.

Allerdings ist der Ansatz unsinnig, denn beim Export interessiert nicht die Quote, sondern interessieren allein die absoluten exportierten Mengen. Es macht eben einen Unterschied, ob Luxemburg eine Bier-Exportquote von derzeit rund 33% % erreicht oder die Bundesrepublik!

Deutschland ist  was seinen Ausstoß betrifft das mit weitem Abstand größte Bierland Europas. Eine Exportquote von aktuell 17,% (2022) vom Gesamtabsatz bedeutet ein Exportvolumen von fast 15 Mio. Hektolitern, die von anderen, z.T. deutlich kleineren Märkten erst einmal aufgenommen werden müssen. Von allen EU-Ländern exportiert nur Belgien etwas mehr als Deutschland.

Die Kritik am angeblich zu geringen deutschen Bierexport ist also ungerechtfertigt.

*) Die Daten der Brewers of Europe sind zwar leider Lückenhaft, machen aber das Problem hinreichend deutlich.

Exportvolumen und -quote von Bier in der EU 2022-> Download Grafik

Bei der Beurteilung der Bedeutung des Bierimports für einen bestimmten Biermarkt ist nun wiederum  nicht die absolute importierte Menge ausschlaggebend, sondern allein die Importquote, also der relative Anteil importierten Bieres am im Land konsumierten Gerstensaft.

Aufgrund des volumenstarken deutschen Biermarktes ist das absolute Importvolumen in der Tat ansehnlich. Nur die Briten und die Italiener importierten 2022 mehr. Spanien folgt Deutschland auf Platz 4 in der EU.

Gemessen am Gesamtkonsum gibt es aber nur wenige Länder in der EU, die in größerem Maße auf heimische Biere setzen als die Bundesbürger, was an einer relativ niedrigen Importquote ablesbar ist - ein Zeichen für die hohe Wertschätzung, die Bier aus Deutschland in Deutschland genießt.

*) Leider ist die Statistik der Brewers of Europe bzgl. der Importvolumina und -quoten lückenhaft.

Importvolumen und -quote von Bier in der EU 2022 ->Download Grafik

Die Biersteuer innerhalb der Europäischen Union ist extrem unterschiedlich ausgeprägt. Die höchste Bierbesteuerung der 27 EU-Länder hat Finnland mit 173,76 € je Hektoliter, das Schlusslicht markiert Bulgarien (9,21 €/hl). Es folgt dann auch schon die Bundesrepublik Deutschland (9,44 €/hl). Mit Luxemburg und Spanien folgen nur noch 2 weitere Länder, deren Biersteuerbelastung unter 10,00 €/hl liegt.

Die Besteuerung alkoholhaltiger Getränke ist in Europa nur insoweit harmonisiert, als es einen Mindeststeuersatz gibt.  Dieser ist seit rund 30 Jahre unverändert, was immer wieder Befürworter seiner Anhebung auf den Plan ruft, und beträgt 0,748 €/hl und °Plato = % Stammwürze.

Für ein Bier mit 12% Stammwürze bedeutete dies eine Mindestbiersteuerbelastung von 8,976 € pro Hektoliter.

Eine Anhebung des Mindeststeuersatzes würde damit ausschließlich die Länder mit relativ niedriger Biersteuer treffen.

Zum Glück gilt in Steuerfragen in Europa das Einstimmigkeitsprinzip. Gegen Deutschland ist eine Anhebung der EU-Mindeststeuersätze für Bier nicht machbar.

(Geringfügige Abweichungen können durch Wechselkursschwankungen der Nicht-Euro-Länder entstehen)

Quelle: VAB Hamburg, Januar 2024

Biersteuerbelastung in Europa je hl, Januar 2024->Download Grafik