In Bayern hat das Starkbier seine eigene Jahreszeit
Ältestes bayerisches Starkbier ist der Salvator[3]. Der in der Fastenzeit um Josephi feierlich begangene Salvator-Anstich auf dem Münchner Nockherberg zieht Jahr für Jahr die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich und eröffnet die Starkbierzeit, die zwei Wochen dauert.
Dabei hat das heute als Fastenstarkbier gepriesene Getränk ursprünglich mit der Fastenzeit gar nichts zu tun. Es war ein Festbier, das die Paulaner-Mönche in der Oktav um den Namenstag ihres Ordensstifters ausschenkten.
Die Paulaner-Mönche kamen 1627 aus Italien nach München und begannen wenige Jahre später mit der Bierproduktion. Wann genau diese Bierproduktion aufgenommen wurde (die genannten Zahlen reichen von 1630 über 1651 bis 1670) ist nicht mehr feststellbar, denn die Klöster bedurften zur Herstellung ihres „Haustrunks“ keiner Braugenehmigung. Es war ihnen allerdings verboten, dieses Bier an Personen abzugeben, die nicht zum Kloster gehörten (woran sie sich – wie eine Vielzahl von Beschwerdebriefen belegt – allerdings nicht hielten). Erst 1780 erlaubte Kurfürst Karl-Theodor den Paulanern den unbeschränkten Bierausschank und legalisierte damit die bisherige Praxis.
Belegt ist, dass die Paulaner im Jahr 1751 offiziell die Erlaubnis erhielten, zum Namenstag ihres „Lieben Vaters“ und Patron’s, des heiligen Franz von Paula, (2. April) ein, nach einem für einen „Doppeltrunk“ überlieferten Rezept des Klosters Benediktbeuren gebrautes, malzreiches „St. Vaterbier“ oder „Heilig-Vater-Bier“, wie es in anderen Quellen heißt, herzustellen und auszuschenken.
1799 wurde durch die Schließung des Klosters im Rahmen der Säkularisation der Ausschank des Starkbieres vorübergehend eingestellt. Die Brauerei blieb jedoch erhalten. Sie gelangte zunächst in staatlichen Besitz, ging dann über an das Großpriorat des Malthäser-Ordens und wurde von diesem, um den einsetzenden Verfall der Anlage aufzuhalten, im Jahr 1806 an Franz Xaver Zacherl (Münchener Hellerbräu) verpachtet.
Franz Xaver Zacherl machte der salvatorlosen Zeit ein Ende. 1813 ging die Brauerei aus dem Pachtverhältnis in sein Eigentum über und bis 1846 schenkte er den „Salvator“ aus.
Welch hoher auch obrigkeitlicher Wertschätzung sich der „Salvator“ erfreute, kann man aus einer Entschließung König Ludwigs I. ersehen, die dieser am 25. März 1837 erließ:
„Auf solange ich nicht anders verfüge, soll die Kreisregierung ermächtigt werden,
jährlich zum Ausschenken des Salvator-Bieres Erlaubniß zu ertheilen,
die Schankzeit ist dabey festzusetzen, aber keine bestimmte Taxe,
da dieses Bier als Luxusartikel zu betrachten ist.“
Urkundlich erwähnt ist der Name „Salvator“ erstmals in einer Zeugenvernehmung vom 10. November 1835, die vom damaligen Besitzer der Paulanerbrauerei, Zacherl, veranlasst worden war, nachdem ihm wieder einmal der Ausschank seines beliebten Starkbieres verboten worden war.
Bis 1860 erfolgte der Ausschank jährlich im Neudecker Garten, einer Gartenwirtschaft am Berghang neben dem Kloster. Der von Jahr zu Jahr zunehmende Andrang war jedoch den Brüdern Schmederer, den Erben und Nachfolgern Zacherls, Mitte der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts Anlass, auf dem Hochplateau nahe dem Kloster einen riesigen Hallenbau zu errichten.
In diese “Salvatorhalle” pilgerten die Münchener fast 30 Jahre lang um Josephi, ehe die Paulaner- und Salvatorbrauerei sie durch einen umfassenden Ergänzungsbau im Jahr 1898/1899 zum Salvatorkeller erweiterte.
Den Erfolg des Salvator wollten andere Brauereien natürlich auch für sich nutzen.
1890 kam es zum Streit zwischen den Brüdern Schmederer und anderen Münchener Brauereien, die ihr dunkles Starkbier ebenfalls unter dem Namen “Salvator” auszuschenken begannen. Zwar gab es zunächst keine gesetzliche Möglichkeit, den Namen “Salvator” gegen Mißbrauch zu schützen. Doch diese rechtliche Grundlage hierfür bot wenig später das Gesetz zum Schutze der Warenzeichnung vom 12.1.1894. Nach langwierigen Prozessen trug das kaiserliche Patentamt 1896 das Wort “Salvator” in seine Zeichenrolle ein, womit seine Verwendung allen anderen Brauereien untersagt war.
Dies war der Beginn der “-ator”-Welle vor dem Ersten Weltkrieg:
Wer am Starkbierboom in der Fastenzeit teilhaben wollte, der schuf ein Starkbier, das er unter einem Phantasienamen ausschenkte.
Ob Animator, Triumphator, Bayerator, Bambergator, Operator, Maximator, u.s.w., allen Fastenstarkbieren ist seither gemein, dass sie auf “-ator” enden.